Das Urteil des Russell Tribunal zur Frage der Menschenrechte in der Psychiatrie

Als Ergebnis der vorgetragenen Beweise, die das Tribunal bei seiner ersten Sitzung am Wochenende des 30.6. und 1.7. gehört hat, ist das Tribunal davon überzeugt, daß im Namen der Psychiatrie schwere Verstösse gegen die Menschenrechte verbreitet sind, die aber im wesentlichen unbekannt bleiben.

In Übereinstimmung mit der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen beklagt die Mehrheit der Mitglieder der Jury zutiefst die Einsperrung von Menschen gegen ihren Willen im Namen der Psychiatrie. Die Fortsetzung dieser Praktiken ist überall eine Bedrohung der individuellen wie der kollektiven Freiheit.

Wir sehen das Konzept "psychischer Krankheit" und das "medizinische Modell" der Psychiatrie, mit dem menschliches Verhalten erklärt wird, als gefährlich und irreführend an, weil es deterministisch ist (insbesondere in der Bio-Psychiatrie) und damit Menschen ihrer Wahlmöglichkeiten und Verantwortung beraubt. Es rechtfertigt sogar solche Konzepte wie das des "Geisteskranken" als rechtliche Kategorie, die eine völlige Verweigerung der Menschen- und Bürgerrechte ermöglicht und in Wirklichkeit dazu verwendet wird, antisoziales und kriminelles Handeln zu entschuldigen.

Wir beklagen das Handeln der Freien Universität, die dem Druck ihrer psychiatrischen Abteilung gewichen ist und ihr Versprechen gebrochen hat, das Tribunal bei sich tagen zu lassen. Nichtsdestotrotz sind wir entschlossen, unsere Anhörungen und Untersuchungen fortzusetzen und alle verfügbaren Medien und Möglichkeiten der Kommunikationstechnik zu nutzen, um Mißhandlungen zu erkunden und die Öffentlichkeit über die Gefahren für die menschliche Freiheit zu alarmieren, die durch die unkritische Akzeptanz der Ansprüche und Praktiken der Psychiatrie entstehen. Wir denken, daß weitere Untersuchungen angestellt werden sollten, um die spezifisch psychiatrischen Mißhandlungen zu untersuchen: Elektroschock, Fixierung und Zwangseinweisung.

Strenge juristische und politische Überwachung psychiatrischer Anstalten und psychiatrischer Praktiken sind eine Voraussetzung für den effektiven Schutz der Menschenrechte. Juristische Vorkehrungen sollten die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Zugang zu wichtigen Dokumenten, zivile und strafrechtliche Haftung für Einsperrung und das Verbot der Diskriminierung gegen "psychisch Kranke" einschließen. Weitere politische und öffentliche Schritte sollten unternommen werden, einschließlich kritischer öffentlicher Untersuchung der Rolle der Psychiatrie, ihrer wissenschaftlichen Basis und der Rechtfertigungsmöglichkeit moderner psychiatrischer Praktiken.

Die Psychiatrie weigert sich nicht nur die Gewalt, die sie historisch vom Staat bekommen hat, aufzugeben, sondern sie spielt sogar die Rolle eines hochbezahlten und respektierten Organs sozialer Kontrolle, einer internationalen Verhaltens-Polizei, und des Unterdrückers politischer und sozialer Abweichung.

Wir halten die Psychiatrie einer Kombination von Zwang und Unverantwortlichkeit für schuldig - sie entspricht damit der klassischen Definition von totalitären Systemen. Als ersten Schritt fordern wir die Abschaffung der "Psychisch Kranken" Gesetze, so daß die Psychiatrie gegenüber der Gesellschaft verantwortlich wird. Darauf sollten Wiedergutmachungszahlungen für die Schäden folgen, die sie verursacht hat. Öffentliche Gelder sollten für humane und würdevolle Alternativen zur Zwangspsychiatrie zur Verfügung gestellt werden.

Gezeichnet (die Mitglieder der Jury):
Kate Millett
Ken Fleet
Esther Hertzog
Ron Leifer
Jacob Emanuel Mabe
Wolf-Dieter Narr
Richard E. Vatz

 

Zwei Jurymitglieder stimmten diesem Urteil nicht zu und gaben folgendes Minderheitenvotum ab:

Minderheitenvotum

Als Ergebnis der vorgetragenen Beweise, die das Tribunal bei seiner ersten Stitzung am Wochenende des 30.6. und 1.7. gehört hat, sind wir, die Minderheit der Jurymitglieder (Paulo Coelho und Alon Harel) davon überzeugt, daß im Namen der Psychiatrie schwere Verstösse gegen die Menschenrechte verübt werden, die im wesentlichen unbekannt bleiben.

Wir, die Minderheit der Jurymitglieder, bedauern zutiefst die ungerechtfertigte Einweisung von Personen gegen ihren Willen im Namen der Psychiatrie als eine massive Menschenrechtsverletzung. Wir sind der Meinung, daß weitere Untersuchungen und Anhörungen stattfinden sollten, um den Mißbrauch zu erforschen und die öffentliche Meinung auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die die unkritische Akzeptanz der Behauptungen der Psychiatrie darstellt.

Strenge juristische und politische Überwachung psychiatrischer Anstalten und psychiatrischer Praktiken sind eine Voraussetzung für den effektiven Schutz der Menschenrechte. Juristische Vorkehrungen sollten die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Zugang zu wichtigen Dokumenten, zivile und strafrechtliche Haftung für Einsperrung und das Verbot der Diskriminierung "psychisch Kranker" einschließen.

Weitere politische und öffentliche Schritte sollten unternommen werden, einschließlich der kritischen öffentlichen Untersuchung der Rolle der Psychiatrie, deren wissenschaftlicher Begründung und der Rechtfertigung moderner psychiatrischer Praktiken.

Gezeichnet:
Paulo Coelho
Alon Harel

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