Neues Deutschland,
3.5.2003, Seite 5:
NS-Verbrechen Diese Tötungsaktionen
wurden von Beamten und Medizinern in einem später im Krieg zerstörten
Verwaltungsgebäude in Berlin, in der Tiergartenstraße4, geplant
und vorbereitet. Die Adressenabkürzung gab der T4-Aktion ihren Namen.
»Noch immer wird gemeinhin der verharmlosende Begriff der Euthanasie
für diese Morde gebraucht«, meint René Talbot vom Landesverband
Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V. Diese Organisation versucht
seit Jahren, »den ärztlichen Massenmord an völlig wehrlosen
Menschen« ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Am Freitag
machte der Verband bekannt, dass nunmehr die Namen von 30176 der rund
300000 Menschen, die zwischen 1939 und 1948 »unter ärztlicher
Aufsicht« ermordet wurden, unter der Homepage www.iaapa.org.il/claims.htm
im Internet zu finden sind. Der Verein wies dabei auf sein Zusammenwirken
mit Hagai Aviel vom Die Datierung ist
den »Psychiatrie-Erfahrenen« besonders wichtig. Tatsächlich
waren die Morde an für geisteskrank erklärten Menschen mit dem
Ende der Nazizeit nicht vorbei. Wie Forschungen unter anderem des Medizinhistorikers
Ernst Klee deutlich machten, gingen sie noch einige Jahre weiter. Die
verantwortlichen Mediziner wurden in der Regel nie strafrechtlich belangt,
sondern machten in der Nachkriegszeit weiterhin Karriere. Dagegen wurden
ihre Opfer nie rehabilitiert. Überlebende müssen vielmehr oft
bis heute gegen Ausgrenzung und Diskriminierung ankämpfen. Mit der
Veröffentlichung wollen die Initiatoren wenigstens die Würde
der Opfer wieder herstellen. Dabei sind sie auch bereit, eine Gesetzesübertretung
zu begehen. Denn die »Dabei wurde
ich Zeuge, wie Passanten in der Liste nach den Namen ihrer Verwandten
suchten, von denen sie dem Hörensagen nach vermuteten, dass sie auch
ermordet worden waren, obgleich sie bisher keinen Beweis dafür hatten.
Mit Hilfe der Liste konnten sie diesen Verdacht bestätigen oder eben
nicht. Wir informierten sie dann, wie man im Bundesarchiv weitere Details
der Geschichte ihrer Verwandten |